BAHE

Bahnstadt Heidelberg, DE

Bahnstadt Heidelberg, DE

Entwicklung der Freiräume zu einem neuen Stadtteil auf ehemaligen Bahnanlagen

KÖR Konzept öffentlicher Raum

Da das zu entwickelnde Gebiet für den neuen Stadtteil Bahnstadt mit 116 ha bis zum Jahr 2022 größer als die Heidelberger Altstadt ist, kommt den öffentlichen Räumen eine zentrale Rolle zur Identitätsbildung zu. Auch verknüpfen sie bestehende Stadtstrukturen.

Das Konzept Öffentlicher Raum erarbeitet einerseits ein Freiraumkonzept und führt dieses mit Themen, wie ökologische Eingriffs- / Ausgleichsmassnahmen, Erschließung und Verkehr, Terrassierung, Energie, Regenwassermanagement, technische und soziale Infrastruktur, Phasierung und Kosten zusammen.
Daraus entsteht ein übergeordnetes städtisches Milieu. Unser Konzept basiert auf der städtebaulichen Rahmenplanung (Trojan+Trojan 2003), greift die Vorgaben der Grünordnungplanung (Adler & Olesch) auf und dient als Grundlage für die nächsten Planungsschritte der Freiräume in der Bahnstadt.

Die Bürger werden von Anfang an in Partizipationsprozesse miteinbezogen, so wurde das KÖR am 10.06.2005 der Öffentlichkeit vorgestellt. Die aus der Bürgerbeteiligung resultierenden Ergebnisse waren für die Planer sehr ermutigend. Nach der Namensfindung des zukünftigen Stadtteils mit den Bürgern ‚Bahn – Stadt‘ galt es, diesem Quartier der Zukunft, in Form eines Transformations- und Vernetzungsprozesses, eine neue Identität zu geben. Im Sinne der kulturellen Urbanität Heidelbergs entstehen auf den Flächen der ehemaligen stillgelegten Bahntrassen sowie der ehemaligen US Militärflächen markante räumliche Qualitäten, die Freiräume für ein pulsierendes Miteinander der 5.500 neuen Bewohner und 7.000 im Stadtteil Arbeitenden ausbilden.

Das Quartier wird sowohl mit seinem konkreten Umfeld vernetzt, als auch im naturräumlichen Großraum verankert. Bestandelemente werden, sofern sie aufgrund Ihrer Kontamination nicht entsorgt werden müssen, in ihrer Authentizität erhalten, Habitate für Flora und Fauna an Bestandsstrukturen angebunden.

Die im KÖR definierten Inhalte unterstützen das Ziel der Stadt Heidelberg, bis 2050 als größtes Passivhausquartier der Welt klimaneutral zu werden, sowie soziale Aspekte, wie Orte für gelebte Nachbarschaften zu schaffen und Vorbild für ein Identitätsstiftendes Quartier der kurzen Wege zu sein.

Obwohl das KÖR keine Vorgaben für private Räume macht, sieht es eine Vernetzung der Freiräume und durchgängige Nutzbarkeit über informelle Wege von Privatgrund durch Sicherung des Wegerechts auf öffentliche Flächen vor. Drei parallele große kontinuierliche Freiraum-Achsen prägen das Quartier: Der trocken-heiße Promenadenparkraum, der der ehemaligen Hochlage des Bahndamms folgt, der kühle Lange Anger mit seiner Wasserachse von 5.000 m², mit Raumkanten des neuen städtebaulichen Konzepts und die Grüne Meile, die an Bestandsraumkanten anknüpft. 50% des Niederschlagwassers fließen in die Staubecken des Langen Angers, 50% wird in den Quartieren zurückgehalten.

Die linearen Freiräume ermöglichen Blickbezüge zum Odenwald, Schloss, Königsstuhl und Pfaffengrund und vermitteln derart die topographisch markante Lage der Stadt im natürlichen Großraum, zwischen Bergen, Neckar und flachem Rheintal. Die Belange des Naturschutzes wurden von Anfang an in die Gestaltung des Parkraums mit einbezogen.

Generell wurde durch ein Netz von Fließräumen versucht, den Verlauf der ehemaligen Schienenstränge nachzuzeichnen und möglichst viele authentische Elemente in das Konzept zu integrieren, um die Charakteristik der historische Schichten für die neue Identität des Quartiers wirksam werden zu lassen. Da
das Areal von den Investoren Rückstands- und Altlastenfrei bebaut werden sollte, konnten die Schienen leider nicht erhalten werden, dafür aber einige einzelne Bahnmasten und Bahngebäude. Kreuzungspunkte von Fließräumen sind durch weithin sichtbare Gestaltungselemente markiert, wie beispielsweise die roten Kommunikations-, Verweil- und Vegetationsmodule.

Die geschaffenen Freiräume bieten neue urbane Raumqualitäten ganzjährig interessanter öffentlicher Freiräume, die Identität vermitteln und Menschen zusammenbringen.

Wasserachse Langer Anger

Die gebogene Linearität der Gleisverläufe des ehemaligen Güterbahnhofs wird im Langen Anger in Form einer Serie zentraler, langgestreckter Wasserbecken aufgegriffen und nachempfunden.
Die Blickführung entlang der bis zu 9,5 m breiten, langgestreckten Wasserfläche mit 5.000 m² wird nach Osten mit dem Königsstuhl, nach Westen Richtung Eppelheim zur untergehenden Sonne mit dem naturräumlichen Grossraum vernetzt. Die Wasseroberfläche fungiert als Spiegel der Wolken und bringt durch dieses Phänomen Bewegung in die statische städtebauliche Figur mit ihren urbanen Raumkanten von bis zu 7 Stockwerken. Einerseits werden die Wasserbecken durch drei Sitzstufen mit harter Kante ausgebildet, andererseits durch begehbare,vegetative Bereiche mit Gabionen, die auch Bersickerungsfunktionen integrieren. Beide Maßnahmen lassen Uferbereiche entstehen, die nutzbar sind und Sicherheit bieten.

Der Lange Anger verläuft leicht gebogen, was räumlich durch Laubbaumkronen als urbaner Straßenraum nachgezeichnet wird – parallel zur ‚trocken-heißen‘ Promenade. Heute bildet
er beliebte Aufenthaltsorte für Bürgerinnen und Bürger und fungiert zugleich als ökologisch wertvolle Fläche, in der Regenwasser gesammelt und versickert wird. In seiner weichen Böschungszone finden sich Arten der Sumpfzone und des Röhrichts.
Die Serie der langgestreckten Wasserbecken erfüllt die Anforderungen an die Freiraumqualitäten des neuen Quartiers unter Schaffung neuer Mikroklimate und diverser Raumqualitäten je nach Jahreszeit im sommerlich warm-heißen Heidelberg. Zugleich werden die technisch städtebaulichen Vorgaben der 50%-igen Retention des anfallenden Regenwassers, zur Zwischenspeicherung, Versickerung und Entlastung der Kanalisation und Schonung der Umwelt,
eingehalten. Neben dem Neckar bietet der Lange Anger eine alternative, wenn auch anthropogene, Wasserader im urbanen Kontext an.

Die wasserspeienden Elemente, die einem erhöhten Sauerstoffeintrag dienen, sind aktuell als einfache Fontänen realisiert. Als Vorbild für die Wasserspeier dienten die magischen Maschinen des in Heidelberg wirkenden Salomon de Caus (1576-1626) für den Hortus Palatinus (1614-19), die für aktuelle Anforderungen gestalterisch und technisch adaptiert werden müssten, beispielsweise für den Pumpenantrieb der Speier durch Solarenergie, wie zur Zeit de Caus.

Die Erschließung der Gebäudekomplexe zur Promenade erfolgt über Brücken, als kombinierte Multifunktionsflächen für Fussgänger, Rad- und Autofahrer. Diese teilen und rhythmisieren das lange Wasserbecken und erlauben neue Blicke und Identitäten zu den jeweiligen Wohnblocks. Über die anschließenden Querstraßen bestehen Verbindungsmöglichkeiten zur Promenade.

Der kühle, mit Wasser artikulierte, Lange Anger ist Antipode zur trocken-heißen Promenade.

Parkraum Promenade

Die Bevölkerung wird von Anfang an in partizipativen Veranstaltungen, Begehungen der ehemaligen Gleistrassen, sowie Beleuchtungstests in diesen Transformationsprozess mit eingebunden.

Die Flächen der ehemaligen stillgelegten Bahntrassen werden mit Ihrem konkreten Umfeld sowie über die Blickführung mit dem naturräumlichen Großraum vernetzt, ökologisch aufgewertet und gestalterisch an aktuelle Anforderungen urbaner Freiräume kreativ angepasst. Die Linearität wird gemäß dem Verlauf der Gleistrassen als multifunktionales, kommunikatives Aktivband zum Begehen, Spielen und Verweilen ausgebildet. Eine klare Knate in Form einer geschwungenen Sitzstufe trennt die Liegewiese von den ökologischen Ausgleichsflächen. Im Bereich der Spielplatzflächen für Kleinkinder und junge Kinder weiten sich diese Aktivzonen zu mehreren Bewegungsparcours mit unterschiedlicher Thematisierung.

Der Sicherung geschützter Faunapopulationen wird in speziellen Habitatsstrukturen für trocken- warme Schotter- und Sandböden ebenso Rechnung getragen, wie der Veränderung des Mikroklimats
durch Erhöhung der ökologischen Vielfalt durch Einführung der Arten des Vegetationskonzepts. Saisonale Aspekte bieten zu allen Jahreszeiten neue Raumqualitäten.

Historische Restsubstanz wird für die Nutzbarkeit aller Bevölkerungsgruppen kreativ und ressourcenschonend transformiert. Stadtbildprägende Materialien und Farben wurden zur Bildung von Identitäten erhalten, wiederverwendet oder im Sinne der Nachhaltigkeit ressourcenschonend eingesetzt.

Die markante Stampfbetonmauer dient als kilometerlanges lineares Rückgrat des Promenadenparks. Es führt Blickbeziehungen zum Königstuhl im Osten, nach Eppelheim im Westen. Der schichtweise Einbau lässt mit der Zeit eine Patina und Morphologie entstehen, die trotz der Länge immer wieder interessante Raumabschnitte ausbildet. Punktuell signalisieren rostrote Vegetationscontainer schon von Weitem Querungsmöglichkeiten zum parallelen Langen Anger. Verknüpfungen zum Pfaffengrund bestehen durch Treppen und Rampen an den Plätzen, über die östliche Brücke zu den ehemaligen Flächen der US Truppen.

Im Rahmen dieses Transformationsprozesses entsteht ein Parkraum ‚Promenade‘. Dieser verfügt über ein Vegetationskonzept welches die ökologische Vielfalt erhöht und klimatische Besonderheiten nutzt. Pflegeextensive Staudenmischungen mit dynamischen Blüh- und Herbstaspekten bieten kleinteiligere Kommunikationsräume zum Verweilen in der Weite des großzügigen Parkraums an. Die um die Sitzstufe tieferliegenden Ausgleichs- und Schotterflächen, verlaufen entlang des ursprünglichen Gleisniveaus. Dieser Streifraum mit seiner trockenheitsliebenden Flora wird erhalten und mit immergrünen ein- und mehrstämmige Kiefern überstellt. Hier finden sich Schotter- und Sandsubrate als Rückzugs- und Versteckräume, beispielsweise für die Eiablage von Reptilien, darunter Eidechsen. Trockenmauern aus rotem Buntsandstein, Steingabionen und Totholzelemente bilden weitere Habitate aus. Die extensive Schottervegetation kennzeichnet den Streifraum als dynamisch sich verändernden, steppenartigen Bereich.

Die trocken-heiße Promenade ist Antipode zum kühleren, mit Wasser artikulierten, Langen Anger.

Auszeichnungen:

Weiterführende Links:

>> Nominierung Deutscher Landschaftsarchitekturpreis 2023

>> Heidelberg und Bahnstadt in der New York Times, 5. März 2021

>> zur Veröffentlichung auf CHLA (chinesisch) 中文

>> Neuigkeiten zur Preiverleihung Beispielhaftes Bauen 2018

>> Neuigkeiten zur Auszeichnung mit dem SPIELRAUM-Preis

>> zur Pressemitteilung SPIELRAUMPREIS 2017 unter www.heidelberg.de

>> Projektdaten ausführlich (PDF)

Masterplan für die Konzeption des öffentlichen Raums der Bahnstadt Heidelberg Plätze, Park und Promenade* 2004 – 2005, Aktualisierung 2007
Planung Teilbereiche: 2008 – 2009,
Fertigstellung 2. BA 2018
Promenade (LP 1-3, ab LP 4 faktorgruen),
Langer Anger und Stichstrassen (LP 1-2, ab LP 3 faktorgruen)
In Zusammenarbeit mit:
Iris Dupper (www.ilot-eu.net), Belzner-Holmes (Lichtplanung), B. Stückle (Kostenplanung)
Auftraggeber: Stadt Heidelberg
Fläche Freiräume: 116 Hektar öffentlicher Raum, davon 29 Hektar Freiflächen

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